Bild: Dr. Reinhard Winkelmann
Einige Kinder haben schlechte Zähne. Warum?
10% der 12-Jährigen haben 100% der Löcher in den Zähnen. Die anderen 90% der Kinder haben keine Löcher.
Dass, was Kinder essen und trinken, erhalten sie von ihrer Mutter und nur selten vom Vater. Wenn das, was die Kinder bekommen Zucker-lastig ist, weizen- und / oder säurehaltig ist, dann gibt es eben Löcher. Vor allem dann, wenn auch die Mundhygiene nicht das ist, was wir Zahnärzte gerne sehen würden.
Dann dürfen wir uns oft anhören, dass die Kinder die schlechten Gene bekommen haben, weswegen der Zahnschmelz so weich sei.
Fakt ist, dass wer zu häufig Zucker, Weizen, Dinkel und / oder Säuren zu sich nimmt, der bekommt eben Löcher. Das ist eine gesicherte Tatsache. Weichen Zahnschmelz, der zu solchen Löchern führt, gibt es nicht.
Es wäre aber doch mal eine gute Idee mit kleinen Dingen das Verhalten zu ändern, oder? Also fang damit an: Lass Softdrinks und Energiedrinks weg… das ist nur saures Zuckerwasser… eine Katastrophe für Deinen Körper. Wechsle zu Wasser, Tee ohne alles oder Kaffee… auch mit Milch, aber nicht Kondensmilch, weil diese wiederum Zucker enthält.
Braucht mein Kind eine Zahnspange?
Das klingt für mich gerade so, als wäre es eine Geschmacksfrage, die dieser Entscheidung zugrunde liegt.
Gehen wir das mal ganz rational an. Es gibt hierbei drei Entscheidungsebenen:
Meistens denken sich die Eltern… insbesondere bei Töchtern… dass diese einfach schön sein sollen. Also müssen die Zähne perfekt sein. - OK, kann ich nachvollziehen.
Der zahnärztliche Blick: wir sehen ganz andere Dinge: sind die Zähne zu groß für den Kiefer? Und wenn ja, wie stark ist die Diskrepanz? Was sind die geeigneten Maßnahmen… etc. - Unsere zweite Überlegung ist: was passiert, wenn wir nichts unternehmen: abgesehen von ästhetischen Defiziten legen wir den Grundstein dafür, dass dieses Gebiss nur ganz schlecht zu reinigen ist. Die Konsequenzen werden in jüngeren Jahren viele Löcher sein, also Karies. Anschließend kommt die Problematik der Parodontitis, was der Laie als Parodontose bezeichnet. Und wenn wir ein paar Jahrzehnte im Alter des heutigen Kindes weiter gehen, dann hat es bis zur Rente schon viele Zähne verloren, viel Geld für Implantate und Zahnersatz ausgeben. Leute, Eltern… das kann nicht unser Ziel sein!
natürlich kommt auch die Frage der Finanzierung des Ganzen. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt hierbei nur Basics… also keine optimale Behandlung. Also überlegt mal bitte, für welch unnötige Dinge wir ziemlich viel Geld ausgeben.
Ab welchem Alter sollten Kinder zum Zahnarzt?
Die zentrale Frage dabei ist doch, was soll der Besuch beim Zahnarzt?
Die eine Ebene ist natürlich zu prüfen, ob alle Zähne OK sind, ob das Gebiss altersgemäß ist.
Die andere, in meinen Augen wichtigere Frage ist, wie mach ich das Kind für den Rest seines Lebens behandelbar, ohne dass es Ängste aufbaut. Denn… mal ganz ehrlich… Zahnbehandlungen sind nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.
Um das richtig zu beurteilen müssen wir uns in die Lage so eines kleinen Kindes versetzen: in der Praxis gibt es fremdartige Geräusche, fremde Menschen, unbekannte Stimmen, alles riecht ganz anders. Unbekanntes führt zu Angst.
Wenn aber Mama oder Papa das Kindlein z.B. zur normalen eigenen Untersuchung oder Zahnreinigung mitbringen, das Kind nicht im Mittelpunkt steht, dann kann sich das Kindlein langsam an die Situation heranpirschen.
Dann der entscheidende Punkt: Eltern, die Angst vorm Zahnarzt haben, transportieren das sehr oft auf ihre Kinder mit Formulierungen wie: das tut überhaupt nicht weh. - Aber: das menschliche Gehirn kann NICHT verneinen. Also… wenn ich sage, denk mal nicht an den Eiffelturm… dann hast Du in dem Moment das Bild vom Eiffelturm vor dem inneren Auge. Korrekt?
Wenn Du sagst, es tut nicht weh. Dann versteht dein Kind: es tut weh!
Also formuliere positiv. Noch besser: mach aus dem ganzen kein Aufhebens… es ist normal, dass man mal den Zahnarzt besucht und Hallo sagt.
Wir wollen bei Kindern erreichen, dass sie ohne Angst zu uns kommen und dafür tun wir alles! Und das, liebe Eltern, schaffen wir nur gemeinsam!
Implantat oder Brücke?
Das ist eine Frage, die sich erst stellt, wenn überhaupt die Voraussetzungen für ein Implantat gegeben sind:
zuerst: ist Deine Mundhygiene gut genug für ein Implantat? Denn Implantate sind wesentlich empfindlicher auf Zahnbelag, als Zähne!
anatomisch: hast Du genügend Knochen? Ist ein Nerv oder die Kieferhöhle ungünstig im Weg?
und: In welchem Zustand sind die Nachbarzähne. Beispiel: beide Nachbarzähne haben große Füllungen oder sind überkront. In diesem Fall setzt man mit einer Brücke keinen größeren Schaden. Sind die Nachbarzähne frei von Füllungen, Karies oder Kronen, in diesem Fall MUSS man ein Implantat durchaus erwägen.
Wenn diese Faktoren alle ungünstig für Dich sind, also warum sollte man dann solche Risiken für Dich eingehen, auch wenn Du das willst?
Warum sterben Zahnnerven ab?
Das liegt an unserem biologischen System. Wir verfügen nämlich über eine… sagen wir mal… Software, die Verletzungen möglichst schnell verheilen lässt. Diese Software heißt: Entzündung. Entzündung ist also ein Reparaturprozess!
Die Voraussetzung für den Start der Entzündung ist eine Verletzung. Am Zahn kann das ein tiefes Loch sein. Es ist aber auch möglich, dass Du vor 3 Jahren auf einen Kirschkern, Knochen oder Popcorn gebissen hast, Dich aber schon längst nicht mehr daran erinnerst.
Die Entzündung hat ein paar Kerneigenschaften:
Mehrdurchblutung … macht Sinn, denn damit werden mehr Nährstoffe an den Ort der Verletzung transportiert
ein Ödem, eine Gewebeausdehnung, also eine erhöhte Durchlässigkeit der Blutgefässe, damit eben die Nährstoffe, quasi das Reparaturmaterial an den Ort des Geschehens gebracht wird
Erhöhung der Gewebe-Temperatur: wird diese nur um drei Grad erhöht, verdoppelt sich die Reaktionsgeschwindigkeit enzymgesteuerter Reaktionen, also auch die des Heilungsprozesses.
Dass das so ist… diese Erfahrung hat jeder schon gemacht, v.a. wenn man sich mal in den Finger geschnitten hatten hat: der Finger wird rot, dick und warm.
Zurück zum Zahnnerven: der ist von einem knallharten Material umgeben, dem Zahn. Der Zahnnerv kann sich daher nicht ausdehnen. Aufgrund der Entzündungsoftware will er sich aber ausdehnen…. geht aber nicht. Also steigt innen der Druck. Damit kommt weniger Blut herein, die Versorgungslage wird schlechter. Das wiederum erhöht den Entzündungsdruck. Und das Spiel geht so lange weiter, bis kein Blut mehr herein kommt und damit der Nerv abstirbt.
Dieser Vorgang kann mit heftigsten Schmerzen verbunden sein oder völlig schmerzlos ablaufen. Alles dazwischen ist möglich.
Kann man mit einer Wurzelbehandlung einen Zahn erhalten?!
Klare Antwort: Jein!
Wenn man alles richtig macht, wenn einem alles gelingt, dann erreicht man eine Erfolgsquote von vereinfacht gesprochen 90%. Das bedeutet, dass trotzdem 1 Zahn von 10 verloren gehen wird. Das muss man wissen.
Was bedeutet alles richtig machen?
Eine Wurzelbehandlung muss unter Kofferdam erfolgen um zu verhindern, dass Speichel an den Zahn kommt. Denn Speichel ist in diesem Fall nichts anderes als eine Bakteriensuppe, die uns den Zahn zusätzlich infizieren kann.
alle Reste des Zahnnerven müssen sauber und vollständig entfernt werden.
Zur Desinfektion des Wurzelkanals muss ein Spülprotokoll eingehalten werden
Die Wurzelfüllung, also quasi die Hohlraumversiegelung, muss bis zur natürlichen Engstelle an der Wurzelspitze gehen
Der Zahn muss danach zeitnah mit einer Krone am besten adhäsiv, also geklebt, versorgt werden.
Jetzt kommts: jeder Kompromiss bei einem dieser 5 Punkte wird die Erfolgswahrscheinlich mehr oder weniger stark reduzieren. Wird der Zahn z.B. nur mit einer Füllung versorgt, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit auf pi mal Daumen 10%… also nur 1 Zahn von 10 ist ein Erfolg!
Was tun, wenn die Wurzelbehandlung nicht erfolgreich ist?
Wenn sich ein Misserfolg einer Wurzelbehandlung bewahrheitet hat, sprich eine Infektion oder Re-Infektion vorliegt, dann haben wir folgende Optionen:
Revision der Wurzelfüllung. Dabei wird die vorhandene Wurzelfüllung entfernt, das Kanalsystem desinfiziert und anschließend neu abgefüllt. Dafür benötigen wir mindestens zwei Sitzungen.
Eine Wurzelspitzenresektion. Dabei wird chirurgisch das Zahnfleisch seitlich vom Zahn eröffnet. Danach entfernt man Knochen und arbeitet sich zur Wurzelspitze vor. Das untere Drittel der Wurzelspitze wird nun entfernt, weil hier die meisten Verstecke für Bakterien sind. Ggf. wird anschließend der Wurzelkanal quasi von rückwärts zusätzlich mit einer sog. retrograden Wurzelfüllung abgedeckt.
dritte Möglichkeit: Zahn entfernen. Das ist die finale Lösung, wenn ein Erfolg der anderen Optionen unwahrscheinlich ist oder wenn z.B. eine Längsfraktur vorliegt. Da haben wir dann keine Chance mehr.
Wir können nicht jeden Zahn retten. Das müssen akzeptieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Reinhard Winkelmann
Zahnarzt