Interview
Innovationen in der Landwirtschaft: Das Geheimnis der Süßlupinen
Linda Kelly, eine visionäre Landwirtin und Unternehmerin, hielt bei der Auftaktveranstaltung der Businesswochen für die Region BB eine inspirierende Rede über Innovationen in der Landwirtschaft. Ihre Ausführungen weckten großes Interesse und führten zu zahlreichen Fragen seitens des Publikums, insbesondere hinsichtlich der Süßlupinen, die Kelly erfolgreich zu einem regionalen Kaffeeersatzprodukt verarbeitet hat.
In diesem Interview gehen wir den Geheimnissen der Süßlupinen auf den Grund und erfahren mehr über Linda Kellys beeindruckende Reise von der Idee zur Umsetzung. Begleiten Sie uns, während wir die spannenden Details dieser innovativen Unternehmung enthüllen.
Wie fing alles an?
Es gab schon früher Kaffee-Ersatz, und es gab auch Pioniere auf diesem Gebiet. Aber in unserer Region gab es noch keine Lupinen – und dass gerade sie ins Spiel kamen, war reiner Zufall.
Als Jugendliche habe ich auf unserem kleinen Acker Blumenfelder zum Selbstpflücken angelegt. Die Menschen konnten einfach Geld in eine Kasse werfen. Eines Tages stießen wir in einer Zeitschrift zufällig auf einen Artikel über Lupinen und dachten, sie wären eine schöne Ergänzung für das Blumenfeld. Doch niemand wollte die Lupinen mit ihren kleinen, weißen Blüten pflücken.
Da sagten meine Mutter und ich nach der Ernte der Lupinensamen: „Aus diesen weißen Kügelchen machen wir was.“
Es war 2013 als Ihr diese Aussage getroffen habt. Wie ging es dann weiter?
Wir rösteten die weißen Kügelchen in einer Pfanne zu Kaffee! Unser erstes Produkt war ein Kaffee – ein regionaler Kaffee aus Lupinen. 2014 haben wir ihn auf den Markt gebracht. Doch anfangs wurde das Produkt oft belächelt.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Das hat mich zusätzlich motiviert. Ich wollte zeigen, dass Lupinenkaffee mehr ist als nur eine Alternative. Deshalb hatte ich die Idee, eine richtig coole Werbung zu machen – etwas, das auffällt, Aufmerksamkeit erregt und die Leute neugierig macht.
Der Start war sicherlich eine Herausforderung. Gab es etwas, das Ihnen den folgenden Erfolg erleichtert hat?
Ja, das Vorhaben wurde spannend –auch, weil ich als Landwirtin nicht dem typischen Klischee entsprach. Eine Frau mit roten Fingernägeln, die Lupinenkaffee herstellt und auch noch Traktor fährt? Das hat die Leute neugierig gemacht.
Haben Sie diesen Überraschungseffekt bewusst genutzt?
Auf jeden Fall! Ich habe schnell gemerkt, dass es eine Geschichte ist, die man erzählen kann. Und wenn man Aufmerksamkeit erregen will, muss man manchmal auch ein bisschen aus der Reihe tanzen.
Sind Sie auch aus der Reihe getanzt, weil Sie bekannte oder unbewusste Vorurteile über die Frauen in der Landwirtschaft gebrochen haben?
Ja, absolut. Wie Frauen in der Landwirtschaft wahrgenommen werden und dann noch mit einer so ungewöhnlichen Pflanze wie der Lupine – das war wahnsinnig interessant. Die Lupine war für viele unbekannt, fast exotisch. Das hat die Aufmerksamkeit verstärkt.
Wie sind Sie an die Sache herangegangen?
Mein Motto war von Anfang an: „Alles selbst machen.“ Anders hätte es nicht funktioniert – und vor allem hätte sich damit kein Geld verdienen lassen. Ich habe mich also in alles eingearbeitet: von der Anzucht der Pflanzen bis hin zur Produktion, Marketing und Vermarktung.
Was genau sind Lupinen?
Lupinen zählen zu den ältesten Kulturpflanzen. Man hat sie bereits vor 4000 Jahren im Mittelmeerraum als Nahrungsmittel angebaut. Allerdings enthält die Pflanze die bitteren und giftigen Alkaloide. Erst Ende des 19. Jahrhundert gelangen spezielle Züchtungen ohne Gift und Bitterstoffe – die sogenannten Süßlupinen.
Lupinenkaffee wurde anfangs vielleicht als „Blümchenkaffee“ belächelt. Was hat Sie dennoch überzeugt, ihn weiterzuverfolgen?
Vor zehn Jahren war die Idee, einen regionalen Kaffeeersatz zu entwickeln, noch neu. Doch für mich hatte das Konzept viele Vorteile – nicht nur geschmacklich, sondern auch ökologisch. Der CO₂-Fußabdruck ist viel geringer als bei importiertem Kaffee.
Gab es auch gesundheitliche Überlegungen?
Ja, das war sogar einer der wichtigsten Gründe. Lupinenkaffee ist von Natur aus koffeinfrei – im Gegensatz zu herkömmlichem Kaffee, der erst durch chemische Prozesse entkoffeiniert werden muss. Das bedeutet, er verursacht keine Übersäuerung und enthält keine Säuren, die den Magen belasten könnten. Außerdem ist die Lupine basisch – ein echter Pluspunkt für die Gesundheit.
Also ist es mehr als nur ein Kaffeeersatz?
Definitiv. Es ist ein Genussmittel mit vielen positiven Eigenschaften – regional, nachhaltig und bekömmlich.
Kann man bei Lupinen sogar von einem Superfood sprechen?
Ja, auf jeden Fall! Die Pflanze hat so viel Potenzial. Süßlupinen enthalten alle essenziellen Aminosäuren, die der Körper benötigt. Sie sind ballaststoffreich, fördern eine gesunde Verdauung und liefern wichtige Vitamine und Mineralstoffe wie Magnesium, Eisen und Kalzium.
Warum genau Lupinen?
Lupinen haben einen sehr hohen Eiweißanteil und wenig Kohlenhydrate. Das macht sie besonders spannend für Menschen, die wenig bis gar kein Fleisch essen und tierisches Eiweiß nicht zu sich nehmen. Als pflanzliche Alternative bieten wir die Lupine als regionale Eiweißquelle an. Aber auch für Diabetiker sind Lupinen ideal, da sie helfen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Durch den sehr geringen Purin-Gehalt ist die Lupine auf für Gicht-Patienten interessant.
Neben den gesundheitlichen Vorteilen – was macht Lupinen außerdem so besonders?
Süßlupinen sind nicht nur gesund, sie sind auch gut fürs Klima. Sie haben einen genialen Vorteil: Über sogenannte Knöllchenbakterien, die eine Symbiose mit ihren Wurzeln eingehen, können sie Luftstickstoff binden. Dadurch versorgen sie sich selbst mit Stickstoff und düngen gleichzeitig den Boden für nachfolgende Kulturen.
Also eine echte Win-win-Situation?
Genau! Weil wir die Süßlupinen regional auf unserem Biolandhof Kelly anbauen, entfallen lange Transportwege. Das spart zusätzliche Emissionen und macht sie zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Alternative für eine bewusste Ernährung.
Für wen ist der Lupinenkaffee ein echter Trinkgenuss?
Lupinenkaffee kann jeder trinken, weil er kein Koffein hat. Die Hülsenfrucht Lupine hat an sich kein Koffein. Das ist zum Beispiel auch sehr gut bei Magenübersäuerung, weil der Kaffee keine Kaffeesäuren hat. Das heißt, selbst Schwangere oder Kinder können ihn trinken. Einfach ein regionaler Kaffee-Ersatz, der dem Bohnenkaffee sehr ähnlich ist.
Das klingt wirklich interessant. Wie verarbeitet man die Lupine, nachdem sie angebaut wurde?
Die Lupine ist reif, wenn die Hülse sich braun verfärbt hat und abgetrocknet ist. Nach der Ernte kommt einer der wichtigsten Schritte – die Aufbereitung der Lupinen. Dabei werden sie von den Beikräutern und mitgegangenen Hülsen bereinigt. Und dann geht’s weiter zur Trocknung. Dann benötige wir Maschinen, die uns die Lupinen weiter reinigt und sortiert. Mein Mann ist Maschinenbau Ingenieur und hat die Maschinen so gebaut und miteinander verbunden, dass alles reibungslos verläuft.
Wie bekannt sind Lupinen eigentlich heute? Wie ist die Resonanz der Öffentlichkeit?
Ich habe immer das Gefühl, dass höchstens 3 bis 4 Prozent wissen, was das ist. Zum Beispiel musste ich bei Messeauftritten 200–300-mal am Tag dasselbe erklären, was meine Einschätzung bestärkt. Das liegt teils auch daran, dass die Gartenlupinen giftig sind. Die Lupine, die wir anbauen, ist die Süßlupine.
Und doch – wir machen weiter! Es geht aber Schritt für Schritt weiter. Somit konnten wir die Lupinen in jeder Form anbieten. Bei den Samen dachte ich mir, das kauft mir keiner ab. Aber es gibt viele Menschen, die selbst Sprossen ziehen.
Wie begann Ihre Bekanntheit in der Öffentlichkeit?
Angefangen hat meine Bekanntheit, als ich zur Landwirtin des Jahres gewählt wurde. Die Presse zeigte Interesse, und ich trat in verschiedenen Fernsehsendungen wie der Landesschau, Sag die Wahrheit und der bundesweiten Staffel „Land und Lecker“ auf. Meine Mutter und ich wollten eigentlich nicht in Konkurrenz mit anderen treten und kochen, aber die Idee der Kulinarischen Schätze einer Staffel hat uns schließlich überzeugt. Ich habe Baden-Württemberg mit der Lupine präsentiert. Wir haben das durchgezogen und es blieb nicht ohne Wirkung.
Gab es in der Folge den „Durchbruch“, der alles verändert hat?
Ja, definitiv. Wir haben 2019 die Staffel gedreht, und das war total cool. Das Netzwerk hat sich aufgebaut und Wege haben sich entwickelt, die ich mir nie hätte vorstellen können.
Inzwischen bin ich auch mit Vorträgen unterwegs, bei der die regionale Landwirtschaft und Frauen in der Landwirtschaft eine Rolle spielen. Ich wurde auch bei Formaten wie „Sag die Wahrheit“ eingeladen, eine Erfahrung, die einem keiner mehr nehmen kann. Wenn Smudo von den „Fantastischen Vier“ sagt, „Wow, die Lupinenprodukte schmecken ja!“, dann ist das echt ein tolles Kompliment. Unser Onlineshop ist in der Folge aufgrund der hohen Nachfrage einmal zusammengekracht, doch wir bleiben auf dem Boden. Bei der Landwirtschaft gibt es ständig Höhen und Tiefen.
Zu welchen Produkten, außer Kaffee, lassen sich die Lupinen verarbeiten?
Ich bin ständig dabei, neue Produkte zu kreieren, um am Ball zu bleiben. Zum Beispiel habe ich vor zwei Jahren mit Porridge eine neue Produktion gestartet. Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur pflanzlich ernähren, sondern auch die Vielfalt der Hülsenfrüchte in unsere Küche integrieren. Alle Hülsenfrüchte sind Superfood, sie sind sättigend und gesund. Wir müssen sie häufiger verwenden. Neben Kaffee und Likör stellen wir auch Würze und Gesichtsöl aus Lupinen her – alles absolut zertifiziert durch den Biolandverband.
Lupinello Süßlupinen lassen sich einfach und vielseitig in der Küche verwenden. Ob als Mehl für Brot und Gebäck, ganze Kerne für Salate, Suppen, Eintöpfe, Falafel, Bratlinge oder für Süßspeisen – die Zubereitung ist schnell und unkompliziert. Die gekochten Lupinenkerne verleihen Gerichten einen nussigen Geschmack.
Frau Kelly, es ist beeindruckend zu sehen, wie vielseitig und ambitioniert Sie sind. Haben Sie noch eine abschließende Botschaft für unsere Leserinnen und Leser?
Ja, sehr gerne. Ich möchte alle ermutigen, die Vielfalt und den Reichtum unserer heimischen Landwirtschaft zu entdecken. Die Süßlupine ist nur ein Beispiel dafür, wie viel Potenzial in unseren Böden steckt. Es lohnt sich, neugierig zu sein und neue Wege zu gehen – sei es in der Küche oder im Leben. Bleiben Sie authentisch, bleiben Sie neugierig, und vor allem: Genießen Sie die kleinen und großen Schätze, die uns die Natur bietet. Vielen Dank für das Gespräch.
Vielen Dank, Frau Kelly, für diese inspirierenden Einblicke und Ihre Zeit. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und freue mich, weitere Kreationen kosten zu dürfen.